Abschlussveranstaltung der Innovationsfondsprojekte in der Internationalen Jugendarbeit

Anerkennung stärken – Jugendliche aktiv einbinden
Wie können Sichtbarkeit und Anerkennung von internationaler Jugendarbeit erhöht werden? Wie kann Partizipation gestärkt werden und können Kooperationen gelingen? Diese und weitere Fragen zur Übertragbarkeit von Erkenntnissen aus zwei Jahren Projektarbeit standen im Mittelpunkt der Abschlussveranstaltung der Innovationsfondsprojekte aus dem Bereich Internationale Jugendarbeit im Haus der Bildung der Hessischen Wirtschaft in Frankfurt.
Der Innovationsfonds hatte zum Ziel, neue, innovative Ansätze zur Anerkennung Internationaler Jugendarbeit als non-formalem Bildungsangebot mithilfe konkreter Projekte zu erproben und die daraus gewonnen Erfahrungen und Ergebnisse in die Breite zu tragen. Als nicht-formales Bildungsangebot ist die Internationale Jugendarbeit in besonderer Weise geeignet, individuelle Kompetenzen zu stärken, die für eine sich immer stärker internationalisierende Gesellschaft notwendig sind und allein durch die Schule kaum gefördert werden.
Den zwölf geförderten Projekten ist es gelungen, neue Ideen zur Sichtbarmachung und Anerkennung Internationaler Jugendarbeit zu entwickeln. Ein wichtiges Element in den Projektprozessen war dabei, über den Bereich der Internationalen Jugendarbeit hinaus mit Kooperationspartnern zusammenzuarbeiten, um für die gesellschaftliche Anerkennung der durch Internationale Jugendarbeit erworbenen Kompetenzen zu werben. Darüber hinaus wurden Jugendliche mit neuen Partizipationsansätzen und Formaten an der Durchführung und Umsetzung der Projekte beteiligt. Somit standen ihre Interessen im Vordergrund der Vorhaben.
Im Kontext eines World Cafés reflektierten die Teilnehmenden der Abschlussveranstaltung ausgehend von ihren konkreten Projekterfahrungen ihre Ergebnisse. Darauf aufbauend entwickelten sie gemeinsame Statements zur Übertragbarkeit der erprobten Ansätze zu den Themen Partizipation, Kooperationen, Nachweissysteme und Sichtbarkeit.
Partizipation wirkt
Jugendpartizipation hat nachhaltige Effekte: Junge Menschen werden befähigt und motiviert, ihre Interessen zu erkennen, zu formulieren und sich somit in Gesellschaft und Politik einzubringen. Wer gleichberechtigt mitentscheidet, sich an der Umsetzung von ersten Ideen und Visionen beteiligt, der trägt Verantwortung und gestaltet den gesamten Projektprozess mit. Partizipation stärkt damit auf der individuellen Ebene Fähigkeiten wie Selbstvertrauen und Eigenverantwortung. Ausgehend von diesem Fokus müssen partizipative Prozesse stärker in allen Schritten von der Projektkonzeption über die Durchführung bis hin zur Evaluation verankert und verstetigt werden. Gleichzeitig ist es wichtig, Partizipationsprozesse in der eigenen Arbeit gemeinsam mit jungen Menschen zu reflektieren und weiterzuentwickeln.
Zentrales Kernelement von Jugendpartizipation ist der Peer-to-Peer-Ansatz: Von Jugendlichen, für Jugendliche, mit Jugendlichen. Die drei Komponenten wurden von vielen der Innovationsfondsprojekte umgesetzt und müssen auch zukünftig im Rahmen internationaler Maßnahmen verstärkt werden.
Wie lässt sich Partizipation weiter stärken? Partizipation entsteht auf freiwilliger Basis. Deshalb müssen Anreizsysteme geschaffen werden, um Teilnahme und Teilhabe für Jugendliche sowohl attraktiv wie auch einfach und niedrigschwellig zu ermöglichen. Gleichzeitig stehen digitale und neue Medien im Fokus, um die Zielgruppen besser zu erreichen und anzusprechen.
(c) IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V., Fotograf: Christoph Bruners
Lernende Kooperation verstetigen
Ein wichtiger Baustein für den Erfolg der Projekte waren die sektorübergreifenden Kooperationen, auch mit neuen Partnern. Dabei waren die Kooperationen nicht statisch, sondern entwickelten sich über den gesamten Projektzeitraum weiter. Man kann sie deshalb als lernende Kooperationen bezeichnen.
Zentral für lernende Kooperationen ist ein Verständnis für die unterschiedlichen Arbeitsrhythmen und Arbeitskulturen verschiedener Akteure, beispielsweise aus dem formalen Bildungssystem Schule und dem non-formalen Bereich der Jugendarbeit. Ein wichtiges Ergebnis war es, dass Kooperationsvereinbarungen helfen, gemeinsame Ziele und Aufgaben klar zu definieren und auf Augenhöhe zu agieren. Darüber hinaus können Kooperationsvereinbarungen im weiteren Projektverlauf dazu dienen, dass später in den Projektprozess einsteigende Partner erfahren, auf welcher Grundlage kooperiert wird. Beispielhaft entwickelte Kooperationsvereinbarungen lassen sich gleichzeitig durch Erfahrungsberichte anschaulich machen und können somit für künftige Prozesse der Zusammenarbeit genutzt werden.
Indem Erfahrungen und Wissen aus der gesamten Projektphase personenunabhängig festgehalten werden, können sich Kooperationen verstetigen. Dabei sollten auch das erweiterte Umfeld und die dort gewonnenen Erfahrungen mitgedacht und einbezogen werden. Denn: Nach dem Projekt ist vor dem Projekt!
(c) IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V., Fotograf: Christoph Bruners
Nachweissysteme untereinander kompatibel machen
Viele der geförderten Innovationsfondsprojekte haben sich in ihrem jeweiligen Projektverlauf mit Nachweissystemen für jugendliches Engagement beschäftigt. Einige haben dezidiert neue Nachweissysteme erprobt. Durch unterschiedliche Anerkennungsinstrumente wie die „Nachweise International“, den „Youthpass“ oder die „Learning Badges“ werden die erworbenen Kompetenzen für Jugendliche sichtbar gemacht und dokumentieren diese auch für Schule, Ausbildung und Beruf.
Für das Feld der Internationalen Jugendarbeit gibt es eine Vielzahl an Nachweisarten. Deshalb sollten Nachweissysteme untereinander kompartibel sein, da sie dadurch an Bedeutung, auch in ihren Alleinstellungsmerkmalen, gewinnen. Durch die aktive freiwillige Beteiligung von Jugendlichen in allen Phasen des Nachweisprozesses gewinnen die Nachweissysteme an Authentizität und Akzeptanz bei der Zielgruppe und deren Umfeld. Nachweissysteme sollten entsprechend wertschätzend und nicht „be“wertend die Lernergebnisse beschreiben: Nicht Mängel und Defizite sollen bei Jugendlichen aufgedeckt, sondern ihnen ihre Stärken gespiegelt werden. Dabei sollten Nachweissysteme sehr nah an der Lebensrealität der Zielgruppe sein.
Der Nachweis von Lernleistungen sollte konsequent von Projektträgern umgesetzt werden, denn: Jugendliche haben ein Recht auf adäquate Unterstützung bei der Reflexion von Lernerfahrungen und deren Sichtbarmachung.
Sichtbarkeit erhöhen, öffentliche Wahrnehmung stärken
Die Innovationsfondsprojekte entwickelten innovative Angebote, um die Sichtbarkeit ihres spezifischen Projekts und damit Internationaler Jugendarbeit im Allgemeinen zu stärken. Grundüberlegungen über die Herstellung von öffentlicher Wahrnehmung gingen mit der frühzeitigen Entwicklung zielgruppenspezifischer Strategien einher: Für wen soll das Projekt sichtbar gemacht werden? Welche Zielgruppe soll gewonnen werden? Medienpartnerschaften sollten dabei frühzeitig mitgedacht werden. Aktuelle projektrelevante politische Diskurse wie Bildungsdebatten oder kommunale Politikziele sollten genutzt werden, um Wertigkeiten aufzuzeigen. Gleichzeitig können Öffentlichkeit und Politik mit Daten, Zahlen und vor allem positiven Geschichten von den Projektideen überzeugt werden und somit zur Sichtbarkeit Internationaler Jugendarbeit beitragen.
Die Ansprache sollte angepasst an die Zielgruppe erfolgen. Dabei ist es sinnvoll, auf der einen Seite Medienpartner möglichst frühzeitig zu identifizieren und in die Konzeption einzubinden und andererseits über Peer-to-Peer-Ansätze Jugendliche in jugendgerechter Art und Weise direkt anzusprechen. Die Prämisse für die Ansprache ist dabei der Slogan „Menschen statt Flyer“: Eine persönliche Ansprache wirkt sowohl bei Jugendlichen als auch anderen potentiellen Stakeholdern nachhaltiger als eine Ansprache allein über Flyer oder Printprodukte.
Jugendliche sollten dabei immer aktiv mit eingebunden werden. Die eigenständige Vertretung von Forderungen, Ideen und Wünschen durch Jugendliche nach außen fördert nicht nur die teilnehmerspezifische Ansprache, sondern auch die Wirkung auf politischer Ebene und das mediale Interesse.
Darüber hinaus kann die Entwicklung einer projekt- und trägerübergreifende Marke den Prozess unterstützen, die Sichtbarkeit, Anerkennung und Profilierung Internationaler Jugendarbeit gesellschaftlich weiter zu erhöhen.
Jugendliche wünschen sich mehr Anerkennung durch die Politik
Einen Beitrag zur Erhöhung der Sichtbarkeit der Innovationsfondsprojekte leistete die Jugendredaktion „innovativ international“, die die Innovationsfondsprojekte medial über den gesamten Projektzeitraum begleitet hat. Herausgekommen sind dabei unterschiedliche Berichterstattungsformate, die aus Sicht von Jugendlichen für Jugendliche Einblicke in die geförderten Innovationsfondsprojekte gaben.
Zudem hat die Jugendredaktion gemeinsam mit Teilnehmenden der Innovationsfondsprojekte eine Umfrage zum Thema Anerkennung und Wertschätzung Internationaler Jugendarbeit unter den Jugendlichen der geförderten Innovationsfondsprojekte durchgeführt. Es wurde festgestellt, dass es die meiste Anerkennung im näheren Umfeld der Teilnehmenden und in den Medien gab. Auf der politischen Ebene aber fehlt die Anerkennung und Wertschätzung des Engagements junger Menschen. Das sei besonders wichtig, denn dadurch könne die Internationale Jugendarbeit insgesamt gestärkt und Bewerbung und Teilnehmerwerbung der Projekte vereinfacht werden. Ziel müsse es sein, die Projekte bekannter und damit auch nach außen hin sichtbarer zu machen.
(c) IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V., Fotografin: Lisa Brüßler
Der Blick von außen
Was können auch andere aus den Erfahrungen der Innovationsfondsprojekte lernen? Wie lassen sich die Impulse aus den Projekten in die Breite tragen, um die Anerkennung Internationaler Jugendarbeit als non-formalem Bildungsangebot und die Profilierung nicht-formalen Lernens weiter voranzubringen? Zu diesen Fragen und auf Grundlage der Statements der Projektbeteiligten diskutierten in zwei Experten-Talkrunden Nils Rusche (Koordinierungsstelle „Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft"), Tobias Köck (Deutscher Bundesjugendring, Solidaritätsjugend Deutschlands), Manfred von Hebel (JUGEND für Europa), Prof. Charles Berg (Universität Luxemburg) und Manfred Zentner (Donau-Universität Krems).
Partizipation muss in politischen Strukturen verankert werden und zur Normalität werden. Peer-to-peer Ansätze müssen gestärkt werden, um auch die Zielgruppe besser erreichen zu können. Dem konnte Nils Rusche nur zustimmen: „Sobald wir unseren Bereich verlassen, sieht man große Ängste, die es abzubauen gilt. Ich denke, dass kleine Schritte hier der Weg zu einem Kultur- und Strukturwandel ebnen werden. Nur müssen wir diesen positiven Trend noch weiter vorantreiben.“ Manfred von Hebel ergänzte, dass Partizipation, verstanden als Tun und Handeln, eines der wenigen wirksamen Instrumente gegen die aktuelle politische Situation, die wir gerade in Europa erleben, sei.
Es muss lernende Kooperationen geben, ein Verständnis für verschiedene Arbeitsrhythmen und Arbeitskulturen. Erfahrungswissen aus den Kooperationen muss zudem personenunabhängig festgehalten werden. „Bei immer knapper werdenden Zeitressourcen und Stellenkürzungen ist diese lobenswerte Form von Verstetigung aber kaum noch leistbar“, warf Nils Rusche ein, „Hauptamtlichkeit stellt Dauerhaftigkeit her, und die wird ja abgebaut.“ Es gäbe bereits gute Ansätze und Ideen, wie zum Beispiel Werkstattgespräche in Jobcentern und Agenturen, um die Leute zu sensibilisieren“, sagte Manfred von Hebel – es sei mehr die Frage, ob die Zuständigen das auch erkennen und weitertragen.
Durch die aktive Beteiligung von Jugendlichen gewinnen die Nachweissysteme an Authentizität und Akzeptanz bei der Zielgruppe und ihrem Umfeld. „Wir haben mit dem Youthpass ein zentrales Instrument entwickelt und uns intensiv mit dem Thema beschäftigt, aber ich habe das Gefühl, dass die Dynamik nachgelassen hat. Deswegen müssen wir dranbleiben“, bestärkte von Hebel. Die Diskussion wurde kontroverser: „Nachweissysteme sollen wertschätzend und bewertend sein und auch der Begriff Verwertbarkeit ist schwierig, weil die vielleicht gar nicht messbar ist“, sagte Tobias Köck. Gleichzeitig sollen Nachweise aber ehrenamtliches Engagement sichtbar machen und zertifizieren. Besonders für Jugendliche aus bildungsfernen Schichten sei das etwa bei einer Bewerbung für einen Ausbildungsplatz immens wichtig, hielt Angela Nowaczek vom Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft. Jugendforscher Manfred Zentner von der Donau-Universität Krems blieb skeptisch bei der Frage, ob auch gesellschaftlich etwas verändert werden könne: „Wir erreichen die treibenden Kräfte der Gruppen, die momentan Stimmung machen, nicht, sondern reden immer mit Zielgruppen, die ohnehin schon offen sind. Der tatsächliche Veränderungsprozess dauert sehr lange und man darf nicht erwarten, dass die Internationale Jugendarbeit dieses Ziel allein erreichen kann.“
Tobias Köck beeindruckte die Vielfalt der engagierten Projekte des Innovationsfonds, die die Möglichkeit bieten sich weiter zu vernetzen und die gute Praxis weiterzutragen. Er selbst nahm als Impuls aus der Abschlusstagung mit, sich im Besonderen für mehr Freiräume für ehrenamtliches Engagement in der Internationalen Jugendarbeit einzusetzen und gleichzeitig dafür zu kämpfen, dass dieses Engagement auch gesellschaftlich anerkannt werde.
Nachdem in den letzten Jahren die Dynamik im Prozess der Anerkennung des non-formalen Lernens nachgelassen habe, freute sich Manfred von Hebel, dass die Innovationsfondsrunde 2014-2016 das Thema zum Schwerpunkt hatte. Er werde den Anerkennungsprozess weiter unterstützen und vorantreiben. Die Erfahrungen und Ergebnisse der Projekte seien wichtig, um insgesamt das Thema auf europäischer Ebene weiterzuentwickeln.
Nils Rusche sah in der Forderung, dass Jugendliche ein Recht auf Unterstützung bei der Reflexion und Sichtbarmachung von Lernerfahrungen haben, eine wichtige Aufgabe, die er im Rahmen der Jugendstrategie „Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft“ in Zukunft aufgreifen will. Mithilfe von Nachweissystemen das Bild der Jugend in der Gesellschaft zu stärken und die Wirkung Internationaler Jugendarbeit sichtbarer zu machen, wolle er in die weiteren Diskussionen mitnehmen.
Die filmische Abschlussdokumentation der Redaktion von innovativ international findet sich hier:
Teaserbild: (c) IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V., Fotografin: Lisa Brüßler
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